· Fachbeitrag · Umsatzsteuerkarussell
Auf Bösgläubigkeit des Buffers im Zeitpunkt des Leistungsbezugs kommt es an
von Rechtsassessor Dr. Matthias H. Gehm, Limburgerhof und Speyer
Bei der Geltendmachung von Vorsteuer durch einen Buffer scheidet eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 AO und auch § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO aus, wenn er bei Leistungsbezug nicht wusste bzw. wissen musste, dass er in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden war (BGH 1.10.13, 1 StR 312/13, Abruf-Nr. 140419). |
Sachverhalt
Der Angeklagte war als Buffer in ein Umsatzsteuerkarussellgeschäft eingebunden. Die Vorinstanz hatte für die Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO darauf abgestellt, dass er bei Einreichung der Umsatzsteueranmeldung wusste bzw. wissen musste, dass die von ihm bezogenen Waren aus einem Umsatzsteuerkarussellgeschäft herrührten, sodass wegen Nichtvorliegens einer umsatzsteuerlichen Lieferung auch keine Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG geltend gemacht werden konnte.
Entscheidungsgründe
Nach Ansicht des BGH ist ausschlaggebend, ob der Angeklagte bei Bezug der Lieferungen wusste bzw. wissen musste, dass er in ein Umsatzsteuerkarussellgeschäft eingebunden war. Eine spätere Kenntnis von Umständen, die ihn bösgläubig machen, ist unschädlich - er kann also die Berechtigung zur Geltendmachung der Vorsteuer nicht mehr verlieren. Damit scheidet eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO aus. Auch ist er nicht nach der Unterlassungsvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar. Denn seine Berechtigung zum Vorsteuerabzug entfällt nicht rückwirkend mit der späteren diesbezüglichen Bösgläubigkeit. Da der Buffer bei Leistungsbezug auch nicht von dem Karussell hätte wissen können, bestand insofern auch keine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO, die er vorsätzlich verletzt hätte.
Praxishinweis
Der EuGH hatte entschieden, dass der Vorsteuerabzug nicht ausgeschlossen werden kann, wenn der in ein Karussellgeschäft eingebettete Unternehmer vom Steuerbetrug keine Kenntnis hatte oder haben konnte (EuGH 12.1.06, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, wistra 06, 177, PStR 06, 74; EuGH 6.7.06, C-439/04 bzw. 440/04, PStR 07, 221, DStR 06, 1274; Küffner/Zugmaier, UVR 08, 30). Der BFH überbürdet allerdings demjenigen Unternehmer, der die Vorsteuer ziehen will, die Beweislast dafür, dass er vom Steuerbetrug keine Kenntnis hatte bzw. haben konnte (BFH 19.4.07, V R 48/04, BStBl II 09, 315; BFH 12.8.09, XI R 48/07, PStR 10, 84). Dagegen hat der EuGH mit Urteil vom 21.6.12 (C-80/11 bzw. C-142/11, NZWiSt 13, 102 mit Anmerkung Madauß) entschieden, dass die Behörde aufgrund objektiver Umstände nachweisen muss, dass der die Vorsteuer geltend machende Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der entsprechende Umsatz in ein System der Steuerhinterziehung eingebettet war. Insofern wird man zumindest fordern müssen, dass die Behörde Anhaltspunkte darlegt, warum von einem diesbezüglichen Wissen bzw. Wissenmüssen des Steuerpflichtigen auszugehen ist. Dieser hat sich sodann zu entlasten. Zudem hat der EuGH auch unlängst entschieden, dass derjenige, der die Vorsteuer geltend macht, die Beweislast trägt, dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen (EuGH 29.3.12, C-414/10, DStR 12, 697).
Zwar gilt für das Strafrecht der Grundsatz in dubio pro reo, jedoch ist die steuerrechtliche Seite für das Steuerstrafverfahren letztlich auch relevant. Wenn der Buffer im Zeitpunkt der Umsatzsteueranmeldung nicht definitiv um das Karussell wusste, aber davon hätte wissen können, wird man erst einmal noch nicht zu einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung kommen, sondern gegebenenfalls zu einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO.
- Erfährt er vor der Anmeldung sicher von den entsprechenden Umständen, liegt eine Steuerhinterziehung vor.
- Wenn er erst später sicher davon erfährt, aber bereits bei Leistungsbezug von dem Karussell hätte wissen können, trifft ihn eine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO, sodass die Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO bei deren vorsätzlicher Verletzung gegeben ist.
Demnach ist die Entscheidung des BGH für Buffer kein Freibrief, denn wenn davon auszugehen ist, dass der Buffer aus den äußeren Umständen bei Leistungsbezug um das Karussell wissen konnte, ergibt sich für ihn bereits latent die Strafbarkeit nach § 370 AO. Man wird sogar noch ein Stück weiter gehen können: Selbst wenn dem Buffer bewusst ist, dass er in steuerlicher Hinsicht allein wegen der bezeichneten Beweislastverteilung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und diesen dennoch vornimmt, agiert er im steuerstrafrechtlich relevanten Bereich. Denn auch hier täuscht er konkludent, dass die Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug vorliegen, obgleich dieser wegen der skizzierten Beweislastverteilung ausscheidet.