25.09.2024 · IWW-Abrufnummer 243948
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 27.08.2024 – 5 Ta 667/24
Sieht das Gesetz mehrere Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung vor, kann nicht beanstandet werden, wenn zwischen diesen auch tatsächlich ausgewählt wrid. Nach Erledigung in der Hauptsache kann die beklagte Partei im Fall der beiderseitigen Erledigungserklärung im Arbeitsgerichtsverfahren gemäß Nummer 8210 Abs. 2 Satz 2 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG durch Kostenübernahmeerklärung unabhängig von der anderen Partei eine Gebührenfreihit erreichen.
Es ist deshalb nicht mutwillig, wenn die klagende Partei die Klge nicht an Stelle der Erledigungserklärung zurücknimmt.
In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 5
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzender
ohne mündliche Verhandlung
am 27. August 2024 beschlossen:
Tenor: I. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Juli 2024 - 39 Ca 5659/24 - wird zurückgewiesen. II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin und Beschwerdegegnerin hat den vor dem Arbeitsgericht geführten Rechtsstreit der Parteien mit am 28. Mai 2024 dort eingegangenem Schriftsatz in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte und Beschwerdeführerin den Klageanspruch, gerichtet auf Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit, erfüllt hatte. Das Arbeitsgericht hat die Beschwerdeführerin mit ihr am 07. Juni 2024 zugestelltem Schreiben vom 29. Mai 2024 darauf hingewiesen, dass das Gericht gemäß § 91 a Absatz 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) über die Kosten des Rechtsstreits entscheiden werde, sofern sie nicht binnen zwei Wochen der Erledigungserklärung widerspreche und dass eine Gerichtsgebühr entfalle, sofern die Kostenentscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Parteien über die Kostentragung oder der Kostenübernahmeerklärung einer Partei folge. Mit am 25. Juni 2024 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag hat die Beschwerdeführerin die Klagerücknahme angeregt und mit am 17. Juli 2024 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag erklärt, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache unstreitig beiderseitig für erledigt erklärt worden. Mit der Beschwerdeführerin am 24. Juli 2024 zugestelltem Beschluss vom 17. Juli 2024 hat das Arbeitsgericht dieser die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses aller Voraussicht nach unterlegen wäre.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 07. August 2024 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin. Sie ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass bei einer Klagerücknahme keine Gerichtskosten angefallen wären. Die Beschwerdegegnerin habe mutwillig gehandelt, indem sie den Rechtsstreit gleichwohl für erledigt erklärt habe, weshalb ihr die deshalb entstandenen Gerichtskosten in vollem Umfang, jedenfalls aber zur Hälfte aufzuerlegen seien. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
1. Die gem. §§ 78 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), 569 Absatz 1 Satz 1 ZPO fristgerecht bei dem Arbeitsgericht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde vom 07. August 2024 hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht ist bereits deshalb zutreffend von einer beiderseitigen Erledigungserklärung im Sinne des § 91 a ZPO ausgegangen, weil die Beschwerdeführerin nach Zustellung des Hinweisschreibens des Arbeitsgerichts vom 29. Mai 2024 am 07. Juni 2024 der Erledigungserklärung der Beschwerdegegnerin vom 28. Mai 2024 nicht innerhalb von zwei Wochen widersprochen hat und auf die sich daraus ergebenden Folgen mit dem Schreiben vom 29. Mai 2024 hingewiesen worden ist (§ 91 a Absatz 1 Satz 2 ZPO). Das Arbeitsgericht hat gemäß § 91 a Absatz 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes auch zutreffend angenommen, dass die Beschwerdeführerin im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Dies folgt nach dem unstreitig gebliebenen Klagevortrag aus der Wirkung des § 8 Absatz 5 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Deshalb hat das Arbeitsgericht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreites zutreffend der Beschwerdeführerin auferlegt.
Etwas Anderes ergibt sich nach billigem Ermessen nicht daraus, dass die Beschwerdegegnerin die Klage nach Erfüllung der Klageforderung durch die Beschwerdeführerin nicht zurückgenommen hat, was nach zutreffender Auffassung der Beschwerdeführerin gemäß Nummer 8210 Absatz 2 Satz 1 der Anlage 1 zu § 3 Absatz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) zum Wegfall der Gebühr nach Nummer 8210 dieser Anlage geführt hätte. Sieht das Gesetz mehrere Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung vor, kann nicht beanstandet werden, wenn zwischen diesen auch tatsächlich ausgewählt wird (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - 4 Ta 12/16 -, Randnummer 19). Auch im Falle der beiderseitigen Erledigungserklärung fällt im Übrigen nach Nummer 8210 Absatz 2 Satz 2 der Anlage 1 zu § 3 Absatz 2 GKG die Gebühr nach Nummer 8210 dieser Anlage nicht an, wenn die Kostenentscheidung des Gerichts nach beiderseitiger Erledigungserklärung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Parteien über die Kostentragung oder der Kostenübernahmeerklärung einer Partei folgt. Die Beschwerdeführerin, die auf diese Rechtsfolge durch das Arbeitsgericht mit Schreiben vom 29. Mai 2024 hingewiesen worden ist, hätte also selbst dazu beitragen können, dass die Gebühr nach Nummer 8210 der Anlage zu § 3 Absatz 3 GKG entfällt, wenn sie dem Gericht gegenüber die Erklärung abgegeben hätte, die Kosten zu übernehmen. Eine solche Erklärung war ihr auch zumutbar, weil sie im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Die voraussichtlich obsiegende Beschwerdegegnerin hingegen hat dadurch, dass sie die Klage nicht zurücknahm, nicht mutwillig gehandelt und andernfalls nicht vermeidbare Gerichtskosten verursacht.
Soweit die Beschwerdeführerin demgegenüber auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 13. September 2010 (9 Ta 215/10) verweist, bezog diese sich auf einen Sachverhalt, in dem das Gericht die klagende Partei - anders als im vorliegenden Fall - ausdrücklich auf die Kostenprivilegierung der Klagerücknahme hingewiesen hatte. Im Übrigen wird in dieser Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die beklagte Partei auch im Falle der beiderseitigen Erledigungserklärung unabhängig von der anderen Partei eine Gebührenfreiheit erreichen kann.
2. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.