22.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133262
Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 04.06.2013 – 2 Ta 616/12
1.
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Versicherungsgesellschaft (sog. Versicherungs- bzw. Deckungsverhältnis) richtet sich beim Abschluss einer Direktversicherung nach dem Versicherungsverhältnis. Die auf die Direktversicherung bezogenen Verpflichtungen des Arbeitgebers im Verhältnis zum Arbeitnehmer (sog. Valutaverhältnis bzw. Versorgungsverhältnis) nach dem Arbeitsverhältnis.
2.
Für Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Direktversicherung die das Versorgungsverhältnis betreffen, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter wegen insolvenz-rechtlicher Anfechtung die Rückzahlung der von dem Insolvenzschuldner an den Arbeitnehmer ausgezahlten Beträge verlangt.
LAG Hamm
04.06.2013
2 Ta 616/12
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 06.02.2012 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 23.11.2012 - 2 Ca 1937/12 - abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird für zulässig erklärt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten in der Beschwerdeinstanz über die Zulässigkeit des Rechtsweges für den vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch.
Der Beklagte (früherer Beklagte zu 3) war bei der C1 C2 GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) als Arbeitnehmer beschäftigt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 29.09.2011 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Insolvenzschuldnerin schloss u.a. zugunsten des Beklagten mit der Streitverkündeten und ursprünglichen Beklagten zu 1), der H1 G1 Firmen und P1 AG (im Folgenden H1) eine betriebliche Altersversorgung in Form der Direktversicherung ab. Nachdem die Insolvenzschuldnerin wegen finanzieller Schwierigkeiten die von ihr abgeschlossenen Direktversicherungsverträge nicht vollständig bediente, kündigte die H1 u.a. den Versicherungsvertrag des Beklagten im April bzw. Mai 2011. Anfang Juli 20111 stellte die Insolvenzschuldnerin den Geschäftsbetrieb ein und zahlte für Juli 2011 auch keine Gehälter mehr. Am 06.07.2011 zahlte allerdings der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin an die H1 auf mehrere Versicherungsverträge eine Gesamtsumme in Höhe von 10.000,00 €, die in Höhe von 2.010,00 € dem Versicherungskonto des Beklagten gutgeschrieben wurden. Am 27.7.2011 stellte die Insolvenzschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter mit der am 2.10.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und später gegen andere Beklagte wieder zurückgenommenen Klage im vorliegenden Verfahren nur noch die Zahlung in Höhe von 2.010.00 € von dem Beklagten M1 C2.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es handele sich um eine nach insolvenzrechtlichen Vorschriften anfechtbare Rechtshandlung mit der Folge, dass der Beklagte auf Rückzahlung zur Insolvenzmasse hafte.
Nachdem die H1 als frühere Beklagte zu 1) und jetzige Streitverkündete die fehlende Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten gerügt hat, hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 23.11.2012 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Lippstadt verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine arbeitsgerichtliche Streitigkeit liege nicht vor, weil Insolvenzschuldnerin als Schuldnerin gegenüber der Streitverkündeten H1 gegenüber dem Beklagten keine Arbeitsvergütung geleistet, sondern Beiträge auf einen Versicherungsvertrag gezahlt habe, weshalb für Rückforderungsansprüche sowohl gegenüber dem Arbeitnehmer wie auch der Versicherung die ordentlichen Gerichte zuständig seien.
Gegen den am 29.11.2012 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 10.12.2012 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Kammerbeschluss vom 01.01.2013 nicht abgeholfen hat.
Zur Begründung der sofortigen Beschwerde trägt der Kläger im wesentlichen vor, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten verneint habe, weil die Insolvenzschuldnerin die Beitragszahlungen an die H1 in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin des Beklagten aufgrund einer mit ihm abgeschlossenen Vereinbarung zur Entgeltumwandlung erbracht habe, nach der die Insolvenzschuldnerin ein Teil des Arbeitsentgelts des Beklagten an die H1 gezahlt habe. Dementsprechend liege eine arbeitsrechtliche Streitigkeit vor, für die der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei.
Die Prozessbevollmächtigten der früheren Beklagten zu 1) verteidigen den Beschluss des Arbeitsgerichts unter Hinweis darauf, dass der Kläger in der Hauptsache von ihr als dem Versicherer Beitragszahlungen zurückfordere, wofür kein arbeitsrechtlicher Zusammenhang vorliege.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet. Denn das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Unrecht entschieden, dass der von der Klägerin beschrittene Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist. Dementsprechend war der Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten festzustellen.
Das Arbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen u.a. ausschließlich zuständig sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses sowie über Arbeitspapiere. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch festgestellt, dass nach der für die Arbeitsgerichte zuständig sind, wenn der Insolvenzverwalter unter Berufung auf insolvenzrechtliche Anfechtungsvorschriften Rückzahlungsansprüche wegen Zahlungen aufgrund des Arbeitsverhältnisses geltend macht, die von der Insolvenzschuldnerin noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet worden sind (vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe, Beschl. v. 27.09.2010 - GmS-OGB 1/09, NZA 2011, 534; BGH, Beschl. v. 10.07.2012 - X ZB 27/12, NZA 2012, 1181; Beschl. v. 09.06.2011 - IX ZB 247/09, ZInsO 2011, 1368; BAG, Beschl. v. 15.07.2009 - GmS-OGB 1/09, DB 2009, 1828).
Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor, nachdem der Kläger die Klage insbesondere gegen die Beklagte zu 1) zurückgenommen und nur noch Rückzahlungsansprüche gegen den Beklagten zu 3) als den ehemaligen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin geltend macht. Denn insoweit handelt im Verhältnis zu dem Beklagten um eine Zahlung, die die Insolvenzschuldnerin aufgrund des Arbeitsverhältnisses erbracht hat, sodass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG eröffnet ist.
Schließt der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung zugunsten des Arbeitnehmers eine Direktversicherung ab, ist zwischen dem Rechtsverhältnis des Arbeitgebers als Versicherungsnehmer zum Versicherer (Versicherungsverhältnis, Deckungsverhältnis) einerseits und dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Versorgungsverhältnis, Valutaverhältnis) andererseits zu unterscheiden.
Das Rechtsverhältnis des Arbeitgebers zum Versicherer richtet sich unabhängig von den im Arbeitsverhältnis bestehenden Verpflichtungen allein nach dem Versicherungsvertrag. Daher kann der Arbeitgeber die Rechte aus dem Versicherungsvertrag wahrnehmen, soweit er als Versicherungsnehmer Inhaber der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ist. Er kann damit ein nach dem Versicherungsvertrag widerrufliches Bezugsrecht widerrufen. Er kann auch den Versicherungsvertrag kündigen und den Rückkaufswert in Anspruch nehmen. Diese Grundsätze gelten auch in der Insolvenz des Arbeitgebers, da der Verwalter nach § 80 Abs. 1 InsO in die Rechtsposition des Arbeitgebers aus dem Versicherungsverhältnis eintritt. Für das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Versicherung kommt es grundsätzlich nicht darauf an, welche Befugnisse dem Arbeitgeber - und in der Insolvenz des Arbeitgebers dem Verwalter - im Versorgungsverhältnis zum Arbeitnehmer zustehen. Dies kann dazu führen, dass der Arbeitgeber - und in der Insolvenz des Arbeitgebers der Verwalter - aus dem Versicherungsvertrag abgeleitete Rechte versicherungsrechtlich ausüben kann, obwohl er dies arbeitsrechtlich im Verhältnis zum Arbeitnehmer nicht darf. Versicherungsrechtlich ist in diesem Fall die Ausübung wirksam. Im Versorgungsverhältnis können jedoch Ansprüche des Arbeitnehmers, insbesondere Schadensersatzansprüche entstehen (vgl. BAG, Urt. 31.07.2007 - 3 AZR 446/05, NZA-RR 2008, 32; Urt. v. 17.10.1995 - 3 AZR 622/94, NZA-RR 1996, 343; LAG Hamm, Urt. v. 22.09.2006 - 4 Sa 629/06, [...]). Dieses Rechtsverhältnis wäre auch für die Bestimmung des Rechtsweges für die Klage auch gegen die frühere Beklagte zu 1), die H1 erhobene Klage gewesen, die aber aufgrund der insoweit erfolgen Klagerücknahme an dem Rechtstreit nicht mehr beteiligt ist, sodass dieses Rechtsverhältnis für die Bestimmung der Zulässigkeit des Rechtsweges gegen den Beklagten auch unerheblich ist.
Demgegenüber richten sich die auf die Versicherung bezogenen Verpflichtungen des Arbeitgebers nach dem Rechtsverhältnis, das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht, also nach dem Arbeitsverhältnis. Machen die Arbeitsvertragsparteien Ansprüche unter Berufung auf dieses dem Versicherungsverhältnis zugrundeliegendem Versorgungsverhältnis, dem arbeitsrechtlichen Valutaverhältnis geltend, dann liegt auch eine arbeitsrechtliche Streitigkeit vor. Denn insoweit geht es um Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien, die ergänzend durch die Gehaltsumwandlungsvereinbarung begründet wurden, also um betriebliche Altersversorgungsansprüche in Form einer Direktversicherung. Bei der Gehaltsumwandlung werden die Beiträge zu der Direktversicherung nicht nur aus dem Betriebsvermögen, sondern auch aus dem dem Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelt geleistet (vgl. BAG, Urt. v. 08.06.1993 - 3 AZR 670/92, DB 1993, 2538; Urt. v. 17.10.1995 - 3 AZR 622/94, NZA-RR 1996, 343; Urt. v. 15.06.2010 - 3 AZR 985/06, [...]; Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 03.08.2010 - 2 Sa 599/09, [...]). Demensprechend ist auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG, wenn Arbeitgeber oder Arbeitnehmer Ansprüche aus diesem dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden arbeitsrechtlichen Valutaverhältnis geltend machen. Folgerichtig ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch dann eröffnet, wenn der Insolvenzverwalter unter Berufung auf insolvenzrechtliche Anfechtungsvorschriften die Rückzahlung der von der Insolvenzschuldnerin vor Insolvenzeröffnung aufgrund des arbeitsrechtlichen Valutaverhältnisses geleisteten Zahlungen verlangt. Da vorliegend der Kläger als Insolvenzverwalter für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis für die Dauer des Insolvenzverfahrens Arbeitgeber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG ist und Rückzahlungsansprüche gegen den Beklagten als den ehemaligen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin aufgrund der von dieser auf arbeitsrechtlicher Grundlage erbrachter Zahlungen verlangt, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet (vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe, Beschl. v. 27.09.2010 - GmS-OGB 1/09, NZA 2011, 534). Der Beschluss des Arbeitsgerichts war daher abzuändern und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig zu erklären.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung eines Rechtsbeschwerde gemäß §§ 17 a Abs. 4 GVG liegen nicht vor.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.