08.04.2021 · IWW-Abrufnummer 221650
Landesarbeitsgericht Hamburg: Beschluss vom 23.12.2020 – 8 Ta 8/20
Die Unterschrift eines Arbeitgebers unter einem Arbeitszeugnis ist nur dann ordnungsgemäß, wenn sie nicht in leicht erkennbaren Elemente von den sonstigen Unterschriften abweicht.
Ein von den sonstigen Unterschriften deutlich abweichendes Schriftbild lässt darauf schließen, dass sich der Unterzeichner vom Inhalt des Unterschriebenen distanzieren will, und kann als gem. § 109 II BGB unzulässiges Merkmal bewertet werden.
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23.03.2020 (12 Ca 60/19) abgeändert:
Gegen die Schuldnerin wird zur Durchsetzung ihrer Verpflichtung, der Gläubigerin das im Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13.01.2020 bezeichnete, von der Geschäftsführung unterzeichnete Arbeitszeugnis unter dem 31.10.2018 zu erteilen und zu übersenden ein Zwangsgeld in Höhe von € 500,- festgesetzt.
2. Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.
Gründe
I. Die Parteien erledigten die Hauptsache durch einen Vergleich, in dem sich die Schuldnerin verpflichtete, der Gläubigerin ein Zeugnis mit einem bestimmten Wortlaut unter einem bestimmten Datum zu erteilen. Dieser Verpflichtung ist die Schuldnerin unstreitig nachgekommen. Nach dem Vergleich sollte das Zeugnis von der Geschäftsführung unterzeichnet sein. Die Gläubigerin hat die Auffassung vertreten, die Schuldnerin habe ihre Verpflichtung nicht erfüllt, weil der Text des Zeugnisses und die Unterschrift des Geschäftsführers vom Schriftbild in früheren Zeugnissen abwichen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines Zwangsmittels zur Durchsetzung ihres Anspruchs zurückgewiesen. Die Parteien hätten im Vergleich weder für den Text des Zeugnisses noch für die Unterschrift bestimmte Schriftbilder vereinbart. Auch aus dem Gesetz ließen sich keine Vorgaben ableiten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 196 - 199 d.A.) Bezug genommen.
Gegen den ihr am 27.03.2020 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin am 14.04.2020, dem Dienstag nach Ostern, sofortige Beschwerde eingelegt, auf deren Inhalt (Bl. 207 - 210 d.A.) und denjenigen des ergänzenden Schriftsatzes vom 23.04.2020 (Bl. 217 - 227) ebenfalls Bezug genommen wird.
Die Gläubigerin beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23.03.2020 das mit Schriftsatz vom 25.02.2020 beantragte Zwangsmittel gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der ihr nach dem Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13.01.2020 obliegenden Erteilung und Übersendung eines unter dem Ausstellungsdatum 30.10.2018 von der Geschäftsführung unterzeichneten Arbeitszeugnisses mit dem entsprechenden Inhalt festzusetzen.
Die Schuldnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 27.04.2020 (Bl. 230-236 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat am 30.04.2020 beschlossen, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen. Auf die Gründe des Beschlusses (Bl. 244 - 247 d.A.) wird Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. In jeder Hinsicht zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Parteien im Vergleich vom 13.01.2020 weder ein bestimmtes Schriftbild für den Text des Zeugnisses noch die Verwendung eines bestimmten Briefpapiers vereinbart haben. Ein ordnungsgemäßes Zeugnis setzt insoweit lediglich voraus, dass es in einem im Geschäftsleben üblichen Schriftbild auf Briefpapier erstellt wird, welches der Aussteller auch sonst verwendet. Die Angabe der vertretungsberechtigten Organe ist nicht entscheidend, sofern bei einem von der Geschäftsführung zu unterzeichnenden Zeugnis der Unterzeichner des Zeugnisses aufgeführt wird. Aus diesem Grund ist das erteilte Zeugnis weder vom Schriftbild noch vom verwendeten Briefpapier her zu beanstanden.
2. Abweichend vom Arbeitsgericht geht die Beschwerdekammer aber davon aus, dass das Zeugnis keine ordnungsgemäße Unterschrift der Geschäftsführung trägt.
a) Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Unterschrift ein Erkennungsmerkmal einer Person. Die Vereinbarung eines von der Geschäftsführung zu unterzeichnenden Zeugnisses ist deshalb gemäß § 242 BGB so auszulegen, dass die Unterschrift nicht in leicht erkennbaren Elementen von den sonstigen Unterschriften des Unterzeichners abweichen darf, weil eine solche Unterschrift zum Ausdruck bringt, dass sich der Unterzeichner vom Inhalt sein
Die Aneinanderreihung von Buchstaben, auch wenn diese den Namen des Ausstellers ergeben, ist noch keine eigenhändige Namensunterschrift i.S.v. § 126 BGB. Bei Menschen entwickeln sich regelmäßig im Laufe des Lebens charakteristische Merkmale ihrer Unterschrift. Als ordnungsgemäße Unterschrift eines Arbeitszeugnisses ist nur ein Schriftzug zu bewerten, der von den ansonsten geleisteten Unterschriften des Ausstellers nicht in deutlicher Weise abweicht. Diese Verpflichtung ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem unter Berücksichtigung von § 242 BGB auszulegenden Vergleich der Parteien auch ohne ausdrückliche Erwähnung und folgt aus der Funktion einer Unterschrift. Eine vollständige Identität der Unterschriften ist weder erforderlich noch realisierbar. Ein von den sonstigen Unterschriften deutlich abweichendes Schriftbild lässt jedoch darauf schließen, dass sich der Unterzeichner vom Inhalt des Unterschriebenen distanzieren will, und kann als gem. § 109 II BGB unzulässiges Merkmal bewertet werden, welches den Zweck hat, eine andere als aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
b) Die Unterschrift des Geschäftsführers B. unter dem der Gläubigerin zur Erfüllung des Vergleichs erteilten Zeugnis (163) weicht deutlich von dem Unterschrift unter dem den Ausgangsrechtsstreit auslösenden Zeugnis (161), dem Zwischenzeugnis vom 26.04.2017 (Bl. 220 d.A.), der Beförderung zum Senior Account vom 30.03.2017 (Bl. 221 d.A.) und der Freistellung vom 23.05.2018 ab. Lediglich das Zeichen des Geschäftsführers unter den Hinweisen zum Bundesdatenschutzgesetz vom 19.05.2016 (Bl. 227 d.A.) ähnelt dem Schriftzug unter dem streitgegenständlichen Zeugnis. Bei den Hinweisen handelt sich allerdings um eine firmeninterne Verlautbarung, deren Wirksamkeit nicht von einer Unterschrift des Geschäftsführers abhängt. Bei den normalen Unterschriften des Geschäftsführers sind jeweils das "B" und das "h" deutlich erkennbar, zwischen denen sich ein weiteres angedeutetes Schriftzeichen befindet ebenso wie hinter dem "h". Das Zeichen unter dem streitgegenständlichen Zeugnis besteht hingegen lediglich aus einem ca. 8 mm im Winkel von ca. 45° nach links unten verlaufenden Strich, welches mit einer ca. 5 cm nach oben rechts ebenfalls im Winkel von ca. 45° engen Schleife fortgesetzt wird. Auf der Grundlinie folgt ein ca. 3,5 cm langer gerader Strich nach rechts.
c) Unabhängig davon, dass dieses Zeichen deutlich erkennbar von der regelmäßigen Unterschrift des Geschäftsführers abweicht, handelt es sich auch nicht um eine eigenhändige Unterschrift i.S.v. § 126 BGB, sondern lediglich um eine Paraphe im Sinne der Rechtsprechung des BGH (vgl. BAG v. 24.01.2008 - 6 AZR 519/07 - Tz 11; BGH. v. 21.02.2008 - V ZB 96/07 - Tz 8; Urt. v. 10.07.1997 - IX ZR 24/97 - Tz 7 jew. m.w.N.). Eine Paraphe wahrt die Schriftform des § 126 BGB nur, wenn sie notariell beglaubigt ist.
3. Die Kammer hält ein Zwangsgeld in Höhe von € 500,- für erforderlich, aber auch für ausreichend, um den Geschäftsführer der Schuldnerin dazu zu veranlassen, das Zeugnis ordnungsgemäß zu unterschreiben.
III. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 I ZPO.
IV. Weitere Rechtsmittel gegen diesen Beschluss sind nicht gegeben.