17.07.2013 · IWW-Abrufnummer 132238
Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 17.04.2013 – 4 Ta 80/13
Es steht grundsätzlich der Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung entgegen, wenn ein einfach gelagerter Sachverhalt vorliegt, in dem die Zahlung von Lohn aus bereits vorliegenden Lohnabrechnungen gefordert wird und Einwendungen konkret nicht zu erwarten sind.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 25.01.2013- 9 Ca 9653/12 -, mit dem die Beiordnung des Rechtsanwalts abgelehnt worden ist, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Gründe
Nach § 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, § 121 Abs. 2 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz einer Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Ist - wie im vorliegenden Fall - die Gegenseite anwaltlich nicht vertreten, kommt es allein darauf an, ob die Beiordnung durch einen Rechtsanwalt "erforderlich erscheint".
Bei der Auslegung dieses Begriffes sind verfassungsrechtliche Grundsätze zu beachten: Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Dieses ergibt sich aus Artikel 3 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist, sowie mit dem Sozialstaatsprinzip, welches in Artikel 20 Abs. 1 GG verbürgt ist.
Ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO erscheint, beurteilt sich nicht nur nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, sondern auch nach den Fähigkeiten des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (BVerfG 17.02.1997 - 1 BVR 1440/96; 22.06.2007 - 1 BVR 681/07).
Im Arbeitsgerichtsprozess ist auch zu berücksichtigten, wie weit der unbemittelten Partei die Interessenwahrnehmung mit Hilfe der Rechtsantragstelle eines Arbeitsgerichts zugemutet werden kann (BAG 18.05.2010 - 3 AZB 9/10).
Der antragstellenden Partei kann es insbesondere zuzumuten sein, den Verlauf des arbeitsgerichtlichen Gütetermins abzuwarten. Das gilt nicht, wenn Einwendungen nicht nur möglich, sondern auch konkret zu erwarten sind (BAG a. a. O.).
Nach ständiger Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte steht es den vorstehenden Grundsätzen entsprechend grundsätzlich der Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung entgegen, wenn ein einfach gelagerter Sachverhalt vorliegt, in dem die Zahlung von Lohn aus bereits vorliegenden Lohnabrechnungen gefordert wird und Einwendungen konkret nicht zu erwarten sind (vgl. LAG Sachsen 29.12.2009 - 2 Ta 145/09; LAG Düsseldorf 11.01.2010 - 3 Ta 3/10; LAG Schleswig-Holstein 28.09.2009 - 3 Ta 134/09; LAG Köln 15.06.2012 - 5 Ta 161/12; LAG Köln 08.02.2012 - 1 Ta 382/11; LAG Brandenburg 28.03.2011 - 25 Ta 498/11).
Ein solcher Fall ist auch vorliegend gegeben. Die Klage erfolgte aus bereits abgerechnetem Lohn. Auf der Gegenseite hatte sich kein Anwalt bestellt. Vielmehr erschien im Gütetermin der Vater des Beklagten mit Vollmacht und erkannte die Klageforderung an.
Auch aus dem Vorfeld brauchte der Kläger nicht mit rechtlich relevanten Einwendungen zu rechnen. Dass er bereits im Vorfeld "vielfältige eigene Initiativen" entwickelt hat, um ohne Hilfe des Gerichts an sein Geld zu kommen, besagt nichts darüber, ob die Sache rechtlich und tatsächlich komplex ist. Der Beklagte hatte unstreitig die Forderung bereits abgerechnet und keine Einwendungen erhoben. Der Kläger weist in der Beschwerdebegründung selbst darauf hin, dass der Vertreter des Beklagten in der Güteverhandlung eingeräumt hat, dass die Aktivitäten des Klägers nur deshalb nicht erfolgreich gewesen sind, weil der Beklagte Liquiditätsschwierigkeiten hatte und sich gegenüber dem Kläger verleugnen ließ.
Der Kläger hätte ohne weiteres über die Rechtsantragsstelle Klage erheben können. Er hätte nur die Lohnabrechnung mitbringen müssen. Das übersteigt auch nicht die praktischen und intellektuellen Fähigkeiten eines mit 22 Jahren noch jungen Menschen.
Der Fall ist offensichtlich so gelagert, dass ein Arbeitnehmer, der die Prozesskosten selbst zu tragen hätte, sich der Rechtsantragsstelle und nicht eines Rechtsanwalts bedient hätte, zumal - worüber ein angerufener Rechtsanwalt die Partei zu belehren hat (§ 12 a Abs. 1 Satz 2 ArbGG) - die Partei in der ersten Instanz beim Arbeitsgericht die Kosten der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten selbst zu tragen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.